Die momentane Corona-Krise ist geprägt von dem Begriff der „Kurzarbeit“, das bedeutet verkürzte Arbeitszeiten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, um Entlassungen zu vermeiden. Das gekürzte Entgelt wird sowohl durch staatliche Finanzhilfen als auch tarifliche Zusatzzahlungen zum sogenannten Kurzarbeitergeld aufgestockt. Das Instrument der „Kurzarbeit“ hat für den Arbeitgeber den Vorteil die Fachkenntnisse seiner Mitarbeiter für den Betrieb zu erhalten und dabei einen Teil der Lohnkosten einsparen zu können. Für den Arbeitnehmer birg das Instrument Kurzarbeit den Vorteil, trotz einer rezessiven Phase seine Beschäftigung sichern zu können. Das Instrument der Kurzarbeit wird in Deutschland seit den 1920er eingesetzt. Insbesondere in der Wirtschaftskrise 2008/2009 half es die Rezession abzumildern.
Bereits über 700.000 Unternehmen haben in der aktuellen Corona-Krise in Deutschland Kurzarbeit angemeldet. Die Zahl an Arbeitnehmern aus der Metall- und Elektroindustrie, die von der Kurzarbeit betroffen sind, wird auf 1,2 Millionen Personen geschätzt. Insgesamt arbeiten über 4 Millionen Menschen in der Metall- und Elektroindustrie.
Laut dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall haben 43 Prozent der 1400 befragten Unternehmen bereits Kurzarbeit angemeldet. In diesen Unternehmen sind durchschnittlich 70 Prozent der Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Zusätzlich haben weitere 40 Prozent der befragten Unternehmen angegeben, Kurzarbeit im kommenden Monat anmelden zu wollen. Die Zahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit in der Metall- und Elektroindustrie würde dann um eine weitere Million anwachsen. Bereits 7 Prozent der Unternehmen waren gezwungen betriebsbedingte Kündigungen zu veranlassen.
Im Schnitt verzeichnet die deutsche Automobilindustrie rund 26 Prozent weniger Aufträge im ersten Quartal 2020 als im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere Baden-Württemberg, Heimat großer Automobilmarken und zahlreicher Zulieferer, ist besonders stark von der Kurzarbeit betroffen. Im Folgenden wird dargestellt, wie verschiedene Unternehmen auf die momentane Krise reagieren.
Porsche AG, Stuttgart-Zuffenhausen
Bei Porsche ist insgesamt ein Drittel der Arbeitnehmer in Kurzarbeit und die Produktion ist momentan gestoppt. Zu welchem Zeitpunkt die Produktion wieder aufgenommen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar.
Daimler AG, Mercedes-Benz AG, Stuttgart-Untertürkheim
Bei Daimler ist Kurzarbeit bis zum 03.05.2020 vorgesehen. Allerdings gibt es Bereiche (Teileproduktion in Untertürkheim), die trotz Kurzarbeit eingeschränkt weiterarbeiten. Dort soll in zwei Schichten (ausgedünnt) oder in einer Schicht gearbeitet werden. Die Schichtübergabe soll entzerrt stattfinden, damit die gesundheitliche Sicherheit der Mitarbeiter gewährleistet ist. Hierzu gibt es Hygieneregeln und Anweisungen bei der Anfahrt mit Bustransport und Fahrgemeinschaften.
Mercedes-Benz AG, Sindelfingen
Es ist ein langsames Hochfahren der Produktion im Werk Sindelfingen ab der Kalenderwoche 17 und 18 geplant. In der 17. Kalenderwoche sollen zuerst die automatisierten Bereiche (Presswerk/ KOF) im Ein- und Zweischichtmodell wieder zu arbeiten beginnen. Ab der 18. Kalenderwoche soll die Montage E/S-Klasse im Ein-Schichtbetrieb (Frühschicht) wieder arbeiten. Dabei ist die jeweilige Partnerschicht in Kurzarbeit. Es finden keine Gruppengespräche statt. Außerdem gibt es keine Stempelpflicht nach der Arbeit. Auch im Mercedes-Benz und EvoBus-Werk Mannheim und dem Mercedes-Benz-Werk Rastatt wird die Produktion schrittweise ab dem 20.04. wieder hochgefahren. Nach aktuellem Stand gibt es keine Verpflichtung Nasen-Mundmasken zu tragen. Es besteht allerdings eine Empfehlung der Werksleitung. Über eine ausreichende Zahl an Masken für die Arbeitnehmer ist gesorgt.
MTU Friedrichshafen
Die MTU/Rolls-Royce Powersystems AG produziert nach wie vor, da es sich um ein systemrelevantes Unternehmen handelt, indem Notstromaggregate gebaut werden. Mehrere tausend Mitarbeiter sind im Homeoffice oder arbeiten in den entkoppelten Schichten der Produktion. Die Fertigungsprozesse und Montageprozesse wurden an die Anforderungen des Gesundheitsschutzes angepasst, das heißt, Taktzeiten wurden so verändert, dass die Mitarbeiter mehr Abstand zu einander haben. Für bestimmte Arbeiten sind Schutzausrüstungen, wie Masken, vorgeschrieben. Die Kantinen und die Automatenstationen sind geschlossen.
Es wird darauf geachtet, dass das Kontaktverbot eingehalten wird.
Robert Bosch Automotive Steering (AS) GmbH, Schwäbisch Gmünd
Bei Bosch AS in Schwäbisch Gmünd wurde ab dem 12.04.2020 bis zum 30.09.2020 für den gesamten Betrieb Kurzarbeit eingeführt. Darüber hinaus werden bis auf den 28.12./29.12./30.12.2020 die vereinbarten Schließtage aufgehoben. Alle anderen Schließtage können umgeplant werden. Der übrige Urlaub ist wie geplant zu nehmen. Arbeitgeber und Betriebsrat verständigen sich wochenweise für die jeweils darauffolgende Woche, welche Abteilung in welchem Umfang von Kurzarbeit betroffen sein wird.
Aufgrund einer gemeinsamen Regelung und Durchschnittsbetrachtungsweise ist ein individueller Abbau des Zeitkontos vor Beginn der Kurzarbeit nicht erforderlich.
Fremdpersonal, wie zum Beispiel Leiharbeitnehmer, nehmen anlog wie die Bosch AS Mitarbeiter an der Kurzarbeit teil. Anstelle der Kurzarbeit kann auch eine Abmeldung erfolgen.
Robert Bosch GmbH, Reutlingen
Auch das Bosch-Werk am Standort Reutlingen hat bis zum 30.04.2020 eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit abgeschlossen.
In Reutlingen wird teilweise auch mit Überzeiten und Urlaub gearbeitet, damit der Umfang der Kurzarbeit vermindert werden kann.
Wieland-Werke AG, Ulm:
Der Hersteller von Kupfer und Kupferlegierungen hat am Standort Ulm Kurzarbeit für 6 Monate angemeldet. Zum 01.04. gingen im Werk Ulm rund 300 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Rund 90 Angestellte wählten die Option Homeoffice. Zum 14.04. gingen im Werk Ulm weitere 200 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Dabei wählten circa 130 (Angestellte) die Option Homeoffice.
Weitere Bereiche bereiten sich auf Kurzarbeit ab Mai durch Abbau der Stundenkontingente vor. Der Umfang der Kurzarbeit variiert je nach Arbeitsanfall pro Einheit. Im Schnitt werden zwischen 20 – 30 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt. Der Betriebsrat ist aktuell noch nicht in Kurzarbeit, wird aber als Zeichen der Solidarität folgen.
Als Vorsichtsmaßnahme wurden Schichtübergaben ausgesetzt. Es wird in einem versetzten Schichtmodell gearbeitet. In diesem Zusammenhang wird der Prämiendurchschnitt der letzten 3 Monate für die Monate April und Mai gezahlt.
Des Weiteren werden Gruppen und Teams räumlich getrennt oder arbeitet statt im Einschichtsystem im Zweischichtsystem. Außerdem finden virtuelle Besprechungen über Teams, Videokonferenzen, Telefon oder ähnliches statt. Des Weiteren, wird darauf geachtet Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen wie das Desinfizieren von Türklinken, Tastaturen, Telefon etc. in regelmäßigen Abständen durchzuführen.
Aktuell ist die Auftragslage noch zufriedenstellend und die Liefer- und Logistikketten funktionieren.
Wieland-Werke AG, Vöhringen:
Am Standort Vöhringen sind seit Mitte März die Mitarbeiter der Werkskantine und die Ausbilder in Kurzarbeit (je 100 Prozent). Dies betrifft circa 15 Personen.
Zum 14.04.2020 wurde für rund 600 Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet. Der Umfang der Kurzarbeit wird voraussichtlich bei 20 Prozent liegen. Eine Abteilung jedoch mit rund 20 Mitarbeitern wird in Kurzarbeit von rund 50 Prozent gehen. Weitere Bereiche bereiten sich auf Kurzarbeit ab Mai in Form von Abbau von Stundenkontingenten vor. Die Gestaltung der Produktion wird zukünftig situationsbedingt angepasst. Aus jetziger Sicht ist noch nicht absehbar, wann die Produktion wieder hochgefahren wird.
Der Betriebsrat ist aktuell nicht in Kurzarbeit. Er wird aber voraussichtlich ebenfalls in Kurzarbeit gehen, wenn immer mehr Kollegen davon betroffen sind.
Außerdem wurden Mitarbeiter verstärkt, sofern möglich, im Home-Office eingesetzt. Schichtübergaben finden nicht mehr mündlich, sondern schriftlich statt. Es werden weitere Vorsichtmaßnahmen getroffen wie das Putzen bzw. das Desinfizieren von Werkzeugen, Tastaturen etc. Ansonsten finden die gleiche Hygieneregeln Anwendung wie am Standort Ulm. Des Weiteren, wird ein fixer Prämienlohn für April und Mai an die Mitarbeiter ausgezahlt.
ZF Friedrichshafen
Z-Betrieb
Derzeit sind beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen im Z-Betrieb ca. 90%-95% der Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Diese hat einen Umfang von ca. 60-70% der normalen Arbeitszeit.
Die Kurzarbeit wird in den jeweiligen Projekten durch die Vorgesetzten gesteuert. Der Betriebsrat selbst ist ab April ebenfalls mit 20% in Kurzarbeit. Die Mitarbeiter sind dazu aufgerufen, die notwendigen Abstände einzuhalten und direkten Kontakt zu den Kollegen zu vermeiden. Die Kantine wurde geschlossen. Arbeitnehmer des Betriebes, die ihre Arbeit auch im HomeOffice erledigen können, sind dazu aufgefordert. Genaue Zahlen sind aber nicht bekannt. Die Auftragslage ist sehr projektabhängig. Weitere Informationen diesbezüglich werden nicht veröffentlicht.
N-Betrieb:
Im N-Betrieb der ZF Friedrichshafen sind alle Bereiche in Kurzarbeit außer dem Kundendienst und dem Versand. Der N-Bereich ist bis auf wenige Ausnahmen derzeit 3 Tage in der Woche in Kurzarbeit.
Ab Mitte der Kalenderwoche 17 werden neue Maßnahmen wie Abstand, Abtrennung durch Plexiglasscheiben und Mundschutz eingeführt, um die Fertigung langsam wieder hochzufahren. Am AMT-Band möchte man die Taktung runterfahren, um 33% der Mitarbeiter einzusparen und somit den Abstand zu erhöhen. Des Weiteren, gelten die Vorgaben, sich nicht zu versammeln und Abstand auch in den Pausen zu wahren. Die Schichten wurden hierfür entkoppelt. Es gelten ansonsten die Bestimmungen wie im Z-Betrieb.
Zusammenfassung
Die neue „Normalität“: Die Pandemie Convid-19 stellt uns vor unbekannte Herausforderungen – gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich.
Solange kein Impfstoff oder Medikament gegen das Virus erfolgreich gefunden worden ist, gilt es, sich auf ein Arbeitsalltag mit dem Virus einzustellen. Viele Betriebe haben Kurzarbeit aufgrund von Engpässen bei den Zulieferern bzw. sinkender Nachfrage eingeführt. In einigen Automobilwerken wird mittlerweile die Produktion schrittweise wieder hochgefahren. Beimj Umgang mit der Pandemie in den Betrieben lassen sich folgende Beobachtungen machen: Je größer die Betriebe sind, desto eher haben sie die Möglichkeit, die notwendige Schutzausrüstung zu organisieren.
Die Produktion von Medikamenten wie auch die der Schutzausrüstung ist aufgrund von niedrigeren Lohnkosten häufig im Ausland angesiedelt, beispielsweise in Indien oder China. Größere Betriebe sind in der Regel besser vernetzt. Durch diese Vernetzung haben sie es leichter, Schutzausrüstung wie beispielsweise Nase-Mundmasken in größerer Stückzahl für ihre Arbeitnehmer zu erwerben.
Des Weiteren, haben sie eher die Möglichkeit mit Experten wie Virologen ins Gespräch zu kommen und sich über die Schutzmaßnahmen zu informieren. Deshalb ergibt sich die Forderung, auch kleinere Betriebe durch Beratung zum Arbeitsschutz und bei der Beschaffung von Schutzausrüstung zu unterstützen. Insbesondere wäre es erstrebenswert, die Produktion der Schutzausrüstung wie Masken zumindest teilweise in das Inland verlegen.
Inwiefern die Produktion von Schutzmasken durch staatliche Subventionen gefördert werden soll, um mit ausländischen Anbietern konkurrenzfähig zu sein, gilt es in diesem Zusammenhang noch zu diskutieren.
Auch sollte mit kleineren Betrieben besprochen werden, inwiefern eine Entkoppelung von Schichten möglich ist und wie die Schichtpläne sinnvoll organisiert werden können.
Trotz dieser turbulenten Zeiten ist es sicher, dass diese Krise nur durch Handeln als Solidargemeinschaft überwunden werden kann. In diesem Zusammenhang könnte Solidarität darin bestehen, dass sich die verschiedenen Akteure darüber austauschen, wie Betriebsabläufe so angepasst werden können, dass die Arbeitnehmer einem möglichst geringen Infektionsrisiko ausgesetzt sind. So werden wir auch diese Krise gemeinsam meistern können.
Quellen
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/corona-krise-kurzarbeit-ist-das-instrument-der-stunde-16723430.html (14.04.2020)
https://www.gesamtmetall.de/themen/corona-pandemie/corona-umfrage (15.04.2020)
https://www.wz.de/politik/deutschland-schlusslicht-beim-kurzarbeitergeld-in-europa_aid-50012139
https://www.gesamtmetall.de/sites/default/files/downloads/gesamtmetall-umfrage-corona3.pdf